Mittweida. Der 08. Mai 2020 ist der Tag, an dem eine Idee in die Tat umgesetzt wird. Die Idee, Verbrauchern hochwertig produziertes Schweinefleisch zu bieten. Wie? Hier wird nicht der Bock zum Gärtner, sondern der Verbraucher zum Produzenten gemacht und zwar mithilfe des genossenschaftlichen Gedankens. Was ist das Besondere, wie kam es dazu und wer steckt dahinter?
Standard ist bei der Genießergenossenschaft, die mittlerweile rund 420 Mitglieder zählt, eigentlich nichts, seien es nun die Mastschweine selbst, die Haltungsdauer, die Fütterung, das Haltungskonzept oder die Vermarktung.
Vorab die Eckdaten: Zu der Genossenschaft gehören rund 220ha landwirtschaftliche Fläche, im Anbau sind Weizen, Gerste, Lein, Erbsen und Mais. Aktuell arbeitet ein Mitarbeiter für die Genossenschaft. Im Stall, der 440 Ferkel- und 1760 Mastschweineplätze umfasst und zyklisch belegt wird, werden zukünftig zwei Mitarbeiter, und in der Schlachtstätte drei Mitarbeiter beschäftigt sein.
Besondere Schweine, besonderes Futter
Durch die Verpaarung von Kreuzungssauen der Rassen Dänisch Yorkshire und Dänische Landrasse mit reinrassigen Duroc-Ebern, werden den Ferkeln zahlreiche positive Eigenschaften mitgegeben, die letzten Endes auch die Produktqualität maßgeblich beeinflussen: Neben zutraulichen, gesunden und frohwüchsigen Schweinen im Stall können die Genossenschaftsmitglieder später auch von fein marmoriertem, besonders zartem Fleisch profitieren. Dieses wird ihnen übrigens, wenn das Unternehmen erfolgreich und gewinnbringend wirtschaftet, in Form von 1kg Fleischpaketen 1x jährlich als Dividende ausgezahlt.
Die Fütterung erfolgt ausschließlich mit regionalem Futter, wobei dem Öllein eine besondere Bedeutung zukommt: 15 % des Futters macht allein Leinextraktionsschrot (Leinkuchen) aus, ein für Tiere sehr schmackhaftes, gesundes Futter, das für eine Anreicherung von Omega-3-Fettsäuren im Fleisch sorgt. Beim späteren Fleischverzehr machen sich die positiven Eigenschaften der mehrfach ungesättigten Fettsäuren durch ihre blutdrucksenkende, entzündungshemmende und Blutfett- sowie blutzuckerregulierende Wirkung bemerkbar. Außerdem besteht die Futtermischung der Schweine aus Weizen- und Gerstenschrot sowie Mineralfutter.
Neben der speziellen Fütterung erhalten die Schweine in dem neuen Stall mehr Platz/ Bewegungsfreiheit als gesetzlich vorgeschrieben. Den Ferkeln stehen 0,8m²/Tier zur Verfügung, Läufer und Mittelmast erhalten 1,5 m²/Tier und die Endmastschweine können sich auf jeweils 2,5m²/Tier austoben. Ergänzt wird das umfangreichere Platzangebot durch konstante Frischluft dank einer Kombination von Auslauf- und Außenklimastall mit zwei Klimazonen und Rückzugsmöglichkeiten. Die Genießerschweine werden auf Stroh gehalten, können ihre Buchten beliebig in Aktivitäts-, Fress-, Ruhe- und Kotbereich einteilen und die Mast ist etwa doppelt so lang wie üblich. Diese Haltungsbedingungen sind laut Herrn Dr. Eckhard Meyer (Schweinehaltungsexperte am LfULG) zwischen Haltungsstufe 3 und 4 anzusiedeln.
Diese besondere, aufwändige Haltung ist naturgemäß deutlich kostenintensiver als es die konventionelle Tierhaltung ist und als es mit den durchschnittlichen Verkaufspreisen im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) darstellbar wäre. Mit der Einbindung des Verbrauchers als Mitglied der Genießergenossenschaft in die (Fleisch-) Produktion, wird diesem eine echte Teilhabe an der Lebensmittelproduktion ermöglicht. Die Umsetzung der Verbraucherwünsche ist ohne Umwege möglich, der Konsument kann als Mitglied der Genossenschaft Einfluss auf Fütterung, Vermarktung und Haltung nehmen.
Handeln statt Fordern
Anstatt bei Tierhalter, LEH oder Politik ein Umdenken einzufordern, haben sich die Gründungsmitglieder der Genießergenossenschaft (zu denen unter anderem die Volksbank Mittweida und die Agraset Agrargenossenschaft eG gehören) rund um Jan Gumpert als Vorstandsvorsitzenden und Stephanie Friebel als stellvertretende Vorstandsvorsitzende zum Handeln entschieden - Selbsthilfe könnte man sagen. Dank demokratischer Mitbestimmungsmöglichkeiten haben alle Mitglieder seit Tag eins, dem 08.05.2020, an den Entscheidungen der Genießergenossenschaft teil.
Der erste Schritt nach der Gründung ist die Gründungsprüfung, die aufgrund guter Erfahrungen des Vorstandsvorsitzenden Herrn Jan Gumpert, bereits vom Genossenschaftsverband vorgenommen wird: „Der Verband ist eine Ansammlung von Experten aus jedem Wissens- und Wirtschaftsgebiet, die sich wunderbar ergänzen. Die Unterstützung des Verbandes ist sehr kollegial.“
Während sich die Mitglieder in diesem Leuchtturmprojekt darum kümmern, die gemeinsamen Vorstellung der artgerechten Tierhaltung zu sammeln und ein Haltungskonzept auszuarbeiten, das allen Ansprüchen der Mitglieder gerecht wird, werden parallel die Mitglieder des Aufsichtsrates durch die Beratungsabteilung des Verbandes im Rahmen einer Gremienschulung auf die künftigen Aufgaben und Pflichten der gänzlich neuen Position vorbereitet.
Große Gewinnspannen/die Gewinnmaximierung sind keine Ambition der Genossenschaft, wirtschaftliches Handeln schon. Aus diesem Grund nimmt die Genossenschaft direkt zu Beginn die Betriebsentwicklungsplanung, eine intensive Liquiditätsplanung und die Fördermittelplanung (Unterstützung bei der Beantragung und dem Abrufen der Fördermittel) in Anspruch.
„Eingestallt wird voraussichtlich im August!“, freut sich Alfred Johne (Agrarberater) vom Genossenschaftsverband, der die Genießergenossenschaft von Beginn an betriebswirtschaftlich und strategisch berät.
Der nächste Schritt in Mittweida ist der Bau der betriebseigenen Schlachtstätte, um kurze Wege und den Qualitätsanspruch (auch bei der Schlachtung und Verarbeitung) sicherstellen zu können. Diese Maßnahme unterstreicht die Einzigartigkeit der Genossenschaft.
Die Tiere erreichen die Schlachtstätte zu Fuß über einen 50m langen Weg, den sie in ihrer gewohnten Tiergruppe zurücklegen. Somit werden lange Transporte und der damit verbundene Stress für die Tiere vermieden, die Fleischqualität wird bewahrt. Die Tierkörper werden nach dem Schlachten überwiegend als Hälften verkauft und mit Kühltransportern zu Partnerunternehmen gefahren, bei denen die Weiterverarbeitung stattfindet.
Für die Zukunft ist geplant, eine eigene Zerlegung zu etablieren, welche dann die Grundlage für Direktvermarktung (Hotels und Gaststätten) und einen Onlinehandel bietet.
Viel Wert werde bei der Genießergenossenschaft auch auf die Kommunikation gelegt, der Verbraucherdialog sei über die Genossenschaftsmitglieder hinaus wichtig, so Vorstandsvorsitzender Jan Gumpert. Aus diesem Grund wird kurz nach der Gründung im Jahr 2020 eine regional ansässige Werbeagentur mit der externen Kommunikation betraut. So finden Interessierte die Genießergenossenschaft Sachsen eG auf Instagram, Facebook, YouTube, Twitter und sogar bei LinkedIn.
Sollten Sie nach dem Lesen des Artikels Interesse an einem Gespräch mit Ihrem Berater haben, melden Sie sich jederzeit gerne bei Ihrem zuständigen Berater oder der Abteilungsleitung Ihrer Region:
Jan-Ulf Holz: Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern
(Telefon: +4938534332151, E-Mail: jan-ulf.holz@genoverband.de)
Dr. Simone Roscher: Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen
(Telefon: +4930264727051, E-Mail: simone.roscher@genoverband.de)
Übrigens freut sich die Genießergenossenschaft auch über neue Mitglieder! Sollten Sie Interesse an einer Mitgliedschaft haben, besuchen Sie einfach die Homepage.