Dieser Beitrag ist in der Bauernzeitung in der 51./52. Woche erstmals in der Rubrik Unternehmen und Recht mit dem Titel „Keine Ausnahmen im Osten“ auf Seite 58 erschienen.
Am 30.11.2023 wurde ein Urteil des Bundesfinanzhofes zum Ersatzwirtschaftswert (EWW) veröffentlicht. Im Jahr 2021 hatte das Finanzgericht (FG) Sachsen den Ansatz des EWWs für Zwecke der Ermittlung des gewerbesteuerlichen Kürzungsbetrages in Übereinstimmung mit Gewerbesteuerrichtlinien 1998 die Auffassung des Steuerpflichtigen zum Ersatzwirtschaftswert positiv bestätigt. Doch der Finanzverwaltung passte das Urteil nicht und so wurde die Revision eingelegt. In seiner Entscheidung am 12.10.2023 (Az.: III R 34 / 21) kassierte der Bundesfinanzhof (BFH) die positive FG-Entscheidung und bestätigte die nachteilige Auffassung der Finanzverwaltung.
Da es sich um eine Regelung im Bereich der Gewerbesteuer handelt, ergibt sich auch, dass das Thema nur für Betriebe Anwendung findet, die der Gewerbesteuer unterliegen. Dies sind üblicher Weise alle Kapitalgesellschaften (GmbHs, AGs, usw.) sowie Genossenschaften und gewerblich geprägte Personengesellschaften, die gemäß § 2 Absatz 2 Einkommensteuergesetz als Gewerbebetrieb gelten und der Gewerbesteuer unterliegen. Auch die gewerbliche Tierzucht ist davon betroffen. Der klassische Einzellandwirt ist allerdings nicht betroffen, seine Einkünfte, wie auch die Einkünfte von Freiberuflern sind nicht Gegenstand der Gewerbesteuer sondern nur der Einkommensteuer.
Die Regelungen, um die es geht, stammen noch aus den 90er Jahren. Kurz nach der Wende wurde entschieden, dass wegen verwaltungstechnischer Unsicherheiten im Beitrittsgebiet für die Zwecke der Kürzung der Gewerbesteuer nicht auf den Einheitswert der landwirtschaftlichen Flächen zurückgegriffen, sondern auf den Ersatzwirtschaftswert, der sich aus dem Bewertungsgesetz ergibt. Grund dafür war einfach, dass keine flächendeckenden Einheitswerte für die landwirtschaftlichen Flächen, Wirtschaftsgebäude und Hofstellen vorlagen. Stattdessen wurden typisierte Ertragswerte je Hektar verwendet und daraus der sogenannte Ersatzwirtschaftswert berechnet.
Die Regelung, die nun durch den Bundesfinanzhof „klarstellend“ entschieden wurde, ist somit selbst schon 33 Jahre alt und ist auch ein Auslaufmodell. Denn die Regelung läuft mit dem Abschluss der Grundsteuerreform aus. Sie entfällt ab dem Jahr 2025. Denn ab 1.1.2025 gilt eine bundeseinheitliche Regelung. Ab diesem Zeitpunkt wird für gewerbesteuerliche Kürzungszwecke auf die zum 1.1.2022 festgestellten Einheitswerte von Grundstücken im Betriebsvermögen abstellt. Im Jahr 2022 mussten ja bekanntlich alle Steuerpflichtigen mitwirken und Formulare für die Grundsteuerwertermittlung (vorher Einheitswert-) einreichen. Aktuell trudeln die entsprechenden Festsetzungsbescheide der Liegenschaftsfinanzämtern mit den neuen Grundsteuerwerten ein.
Der Gesetzgeber hatte vorgegeben, dass die neue Grundsteuerreform aufkommensneutral sein soll, aber bisher haben die wenigsten Gemeinden Grundsteuer-Hebesätze ab 2025 festgelegt. So kann man nur hoffen, dass es die Gemeinden hier nicht zu stark an der Steuerschraube drehen. Alternativ könnte man auch die Kürzungsnorm für die Gewerbesteuer ausweiten und so die angestrebte Doppelbelastung der Steuerpflichtigen vermeiden.
Ursprünglich sollte die Doppelbelastung mit Grundsteuer und Gewerbesteuer durch einen typisierten Abzug bei der Ermittlung des Gewerbeertrags vermieden werden. Umgesetzt wird die Idee durch den Abzug von 1,2 % des Einheitswertes bzw. Ersatzwirtschaftswertes bei der Ermittlung des Gewerbeertrages. Ab 2025 werden 0,11 % des Grundsteuerwertes vom Gewerbeertrag abziehbar sein. Die Grundsteuer selbst bemisst sich nach dem Einheitswert, der Grundsteuermesszahl und dem Hebesatz. Jedoch erreichte die Regelung nie das vollständige Kompensationsziel, sondern stets nur anteilig. Zwischen 1991 und 2022 ermittelten Experten für alle Gewerbetreibende einen Entlastungseffekt von 14- 22 % bezogen auf die Grundsteuer. Dies spricht leider nicht für die Norm.
Um die jetzt entschiedene Verschlechterung der EWW-Regelung zu verstehen, muss man die Historie kennen. Tatsächlich gibt es auch einen Fall, bei dem die neue Regelung nicht zu einer Verschärfung führt, sondern alles beim Alten bleibt. Dies ist der Fall, wenn man Eigentumsflächen im Umfang von 100 % bewirtschaftet. Da üblicherweise viele Betriebe auch Pachtflächen bewirtschaften, trifft dies nur auf wenige Betriebe zu. Je höher also der Anteil der Pachtflächen an der gesamten bewirtschafteten Fläche ist, desto größer ist der Effekt des Urteils.
Im Jahre 1998 wurde in den Gewerbesteuerrichtlinien festgeschrieben, dass bei einem landwirtschaftlichen Betrieb mit Tier- und Pflanzenproduktion und mehr als 50 Hektar selbst bewirtschafteter Fläche 64 % des Ersatzwirtschaftswertes (EWW) auf den Grund und Boden entfallen und 36 % auf Wirtschaftsgebäude und sonstige Wirtschaftsgüter. Für andere Betriebe und andere Flächen gab es jeweils andere EWW-Quoten. Beim Anteil des EWW für Grund und Boden musste dann in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob alle EWW-Flächen im eigenen Eigentum standen oder gepachtet waren. Mit anderen Worten der EWW auf Pachtflächen musste quotal dem gesamten EWW-Anteil für Grund und Boden ausgesondert werden. Auf diese Art und Weise wurde der Grund- und Bodenanteil des EWW auf Eigentumsflächen begrenzt.
Mit dem Urteil muss nun der gesamte EWW mit der Quote der Eigentumsfläche multipliziert werden. Die vorherige Möglichkeit vorab 36 % des EWW für Wirtschaftsgebäude u.ä. komplett anzusetzen und nur den verbleibenden Rest des EWW quotal nach Eigentumsquote anzusetzen, entfällt.
Schon im Jahr 2009 (08.05.2009) wurde in einem Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen klargestellt, dass der EWW sich nur auf den Grund und Boden bezieht. Eine Zuordnung, wie in den Gewerbesteuerrichtlinien auf sonstige Wirtschaftsgüter konnte aus dem Bewertungsgesetz nicht abgeleitet werden, da typisierend nur auf die Ertragskraft der Grundstücke bzw. ihrer Fläche abgestellt wurde. Doch im Rahmen der Veranlagung wurden oft die Regelungen der alten Gewerbesteuerrichtlinien akzeptiert.
Allerdings griffen im Laufe der Zeit die Betriebsprüfer die Vorgaben aus dem Bewertungsgesetz auf und so landete der Fall beim Finanzgericht Sachsen.
Mit der klarstellenden Auslegung durch den Bundesfinanzhof kommt es bei allen Betrieben mit Pachtflächen zu einer Verschlechterung. Für den Fall, dass man 100 % Eigentumsflächen hat, kann man, wie vorher vollständig 1,2 % des EWWs in Abzug bringen. Sofern man allerdings den Anteil von gepachteten Flächen ausscheiden muss, verschlechtert sich der abziehbare Anteil des EWW im Vergleich zur alten Auslegung. Dies soll folgendes Beispiel mit 50 % Pachtfläche illustrieren.
Bewirtschaftet ein Betrieb 50 % gepachtete Fläche, hat man bisher 36 % für Hofgebäude und Ställe angesetzt und die verbliebenen 64 % für Grund und Boden hälftig für die Eigentumsflächen angesetzt. Konnte man so in Summe 68 % EWW ansetzen, kann man nach der BFH-Entscheidung nur noch 50 % des gesamten EWW in Ansatz bringen. Somit verringert sich der ansatzfähige Umfang des EWW um 18 %. Je höher die Quote der Fremdbewirtschaftung ist, umso höher ist die negative Auswirkung des BFH-Urteils. In der Regel sind die Effekte nicht sonderlich hoch, doch die jährliche Gewerbesteuerlast steigt.
Die EWW-Verschlechterung erhöht den Gewerbeertrag und führt zu einer Erhöhung der Gewerbesteuer. Bei einem Gewerbesteuersatz von 13 % führt also eine beispielhafte EWW-Verminderung im Umfang 100.000 EUR zu 1.200 EUR zusätzlichem Gewerbeertrag und bei 13 % Gewerbesteuersatz zu einer Erhöhung der jährlichen Zahllast von ungefähr 160 EUR bis einschließlich 2024. Sofern Betriebe über große Flächen und über Ersatzwirtschaftswerte im einstelligen Millionenbereich verfügen, sind auch größere Effekte zu erwarten.
Wie geht es jetzt weiter? Normalerweise prüft die Finanzverwaltung die BFH-Urteile und veröffentlicht auf der Homepage des Finanzministeriums eine Liste. Auf dieser Liste sind dann alle Urteile, die in Kürze im Bundesteuerblatt Teil II veröffentlicht werden. Sobald die Urteile im Bundessteuerblatt veröffentlicht sind, müssen die Urteile für alle offenen Fälle angewendet werden und gelten dann für alle Finanzbeamten.
Da es sich bei dem vorliegenden Urteil, um ein Urteil zu Gunsten der Finanzverwaltung handelt, kann davon ausgegangen werden, dass es keine Widerstände aus der Verwaltung gegen eine Veröffentlichung geben wird. Die Finanzverwaltung Sachsen hat bereits angefangen, alle Mandanten, die Einsprüche eingelegt hatten und Ruhen des Verfahrens beantragt haben, anzuschreiben. Es wird in den Schreiben auf das BFH-Urteil hingewiesen und gebeten Einsprüche zurückzunehmen. Auch die Betriebsprüfer im Freistaat Sachsen sind bereits instruiert und werden nun die BFH-Regelung durchsetzen. Aktuell ist also nicht damit zu rechnen, dass die Finanzministerien der neuen Bundesländer eine Vertrauensschutzregelung für den Zeitraum bis 2024 auf den Weg bringen wollen.
Insofern sollten die Steuerpflichtigen bei den abzugebenden Steuererklärungen der BFH-Rechtsprechung folgen oder alternativ den Effekt aus der Differenz zwischen Verwaltungsauffassung und der eigenen Auffassung ermitteln und in einem Anschreiben darstellen. Denn damit verhindert man in der Zukunft den Vorwurf der Steuerhinterziehung, da der Finanzverwaltung die Fakten bekannt waren. Auch für die Vergangenheit sollte man überlegen, ob man bei wesentlichen Effekten eine Korrektur der Steuererklärungen vornimmt. So sieht es jedenfalls die Abgabenordnung vor. Alternativ kann man auch darauf hoffen, dass das Urteil aus Gründen der Wesentlichkeit nicht aufgegriffen werden.